Erneute Zunahme der Anzahl Tierschutzstrafverfahren |
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Nach wie vor deutliche kantonale Unterschiede bei der Verfolgung von Tierschutzverstössen
Die
Analyse der Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2019 der Stiftung für das
Tier im Recht (TIR) zeigt, dass sich der gesamtschweizerische Vollzug
des Tierschutzstrafrechts in den letzten 20 Jahren insgesamt deutlich
verbessert hat und Straftaten an Tieren immer häufiger untersucht und
sanktioniert werden.
Dennoch besteht bei der Umsetzung des
Tierschutzstrafrechts nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf. So sind
auch im Berichtsjahr wieder deutliche kantonale Unterschiede
festzustellen und dürfte die Dunkelziffer nicht verfolgter
Tierschutzfälle enorm sein.
Darüber
hinaus zeigt sich, dass Schafe durch die tierschutzrechtlichen
Bestimmungen nur unzureichend geschützt sind und an ihnen begangene
Verstösse von den zuständigen Behörden regelmässig bagatellisiert
werden.
Nach dem massiven Einbruch der Fallzahlen im Jahr 2017
kann, nachdem bereits im vergangenen Jahr wieder eine Zunahme zu
verzeichnen war, im Berichtsjahr wiederum eine Steigerung sowohl in
absoluter Hinsicht mit gesamthaft 1933 Fällen als auch in relativer
Hinsicht mit einem schweizweiten kantonalen Durchschnitt von 2.19
Verfahren pro 10'000 Einwohner festgestellt werden.
Dieser
erneute Anstieg sowie die insgesamt kontinuierliche Zunahme der
Fallzahlen in den letzten 20 Jahren ist aus Sicht der TIR als positive
Entwicklung zu werten, da sie darauf hindeutet, dass die Vollzugsorgane
ihre Pflichten generell ernster nehmen und Straftaten an Tieren immer
häufiger untersucht und sanktioniert werden.
Die Analyse der
Fallzahlen fördert jedoch grosse kantonale Unterschiede zutage sowohl
absolut betrachtet als auch in Relation zur jeweiligen Wohnbevölkerung:
Auch in diesem Jahr wurden in absoluter Hinsicht die meisten
Tierschutzstrafverfahren wieder in den Kantonen Zürich, Bern und Aargau
geführt, wobei der Kanton Zürich die Liste im Berichtsjahr mit 314
Fällen anführt.
Bern folgt mit 310 und Aargau mit 184 Fällen.
Jedoch liegt der bevölkerungsstarke Kanton Zürich in relativer Hinsicht
mit 2.04 Verfahren pro 10'000 Einwohner leicht unter dem kantonalen
Durchschnitt von 2.19.
Die Kantone Bern und Aargau schneiden
mit 2.98 bzw. 2.68 Verfahren pro 10'000 Einwohner hingegen auch in
relativer Hinsicht überdurchschnittlich ab. Die Kantone Appenzell
Innerrhoden (1 Fall), Nidwalden (5 Fälle), Jura und Uri (jeweils 9
Fälle) weisen in Bezug auf ihre absoluten Fallzahlen teilweise zum
wiederholten Mal weniger als zehn Fälle aus.
In Relation zur
Bevölkerungsstärke situiert sich der Kanton Uri mit 2.45 Verfahren pro
10'000 Einwohner hingegen über dem schweizweiten kantonalen Durchschnitt
von 2.19.
Der Kanton Glarus weist relativ gesehen im
Berichtsjahr mit 6.16 erneut die meisten Verfahren pro 10'000 Einwohner
aus. Darauf folgen die Kantone Graubünden (3.82), Luzern (3.53), St.
Gallen und Solothurn (jeweils 3.23).
Im Berichtsjahr überwiegen
mit einem Anteil von 51 % erneut die Heimtierfälle. In Bezug auf die
Tierarten waren es mit deutlichem Abstand Hunde, die am häufigsten Opfer
eines Tierschutzverstosses wurden.
Am zweithäufigsten waren Rinder von
Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz betroffen. Eine deutliche
Zunahme haben im Berichtsjahr jene Fälle erfahren, in denen an
Versuchstieren begangene Delikte zur Beurteilung standen.
Angesichts
der Millionen von in der Schweiz gehaltenen und genutzten Tiere fällt
die Anzahl der durchgeführten Tierschutzstrafverfahren regelmässig sehr
tief aus. Entsprechend ist von einer hohen Anzahl nicht verfolgter und
geahndeter Tierschutzdelikte (Dunkelziffer) auszugehen.
Die
Analyse zeigt in diesem Jahr erneut auf, dass der Vollzug des
Tierschutzstrafrechts auch in materieller Hinsicht zahlreiche Mängel
aufweist und Verstösse gegen das Tierschutzrecht oftmals bagatellisiert
werden.
So schöpfen die Strafverfolgungsbehörden den gesetzlich
vorgesehenen Strafrahmen, der für Übertretungen Bussen bis zu 20'000
Franken und für Vergehen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren und
Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen vorsieht, noch immer bei Weitem nicht
aus: Im Berichtsjahr wurden bei reinen Tierschutzdelikten für
Übertretungen im kantonalen Median Bussen von 350 Franken ausgesprochen
was eine leichte Abnahme im Vergleich zum Vorjahr (400 Franken)
darstellt.
In Bezug auf die Sanktionierung von Vergehen ist
hingegen zumindest hinsichtlich der unbedingten Geldstrafen eine
deutliche Verbesserung zu erkennen.
So lag 2019 der kantonale
Durchschnitt bei 61 Tagessätzen und der Median bei 50. Im Jahr 2018
betrug der Durchschnittswert noch 51 Tagessätze, der Median 40
Tagessätze.
Die Tagessätze für bedingte Strafen nahmen im
Vergleich zum Vorjahr geringfügig ab (Median: 30, Durchschnitt: 38).
Freiheitsstrafen für reine Tierschutzdelikte wurden im Berichtsjahr
lediglich zwei ausgesprochen, beide Male bedingt.
Die
inhaltliche Auswertung der Strafentscheidpraxis zeigt zudem, dass der
Tierschutzstrafvollzug noch immer erhebliche qualitative Mängel
aufweist. So bereitet den Strafverfolgungsbehörden etwa die Abgrenzung
von Tierquälereien (Art. 26 TSchG) und übrigen Widerhandlungen (Art. 28
TSchG) erhebliche Schwierigkeiten.
Weiter belegt auch die
diesjährige Analyse wieder, dass einige Kantone ihre Pflicht, dem
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sämtliche
im Zusammenhang mit dem Tierschutzstrafrecht ergangenen Entscheide
zuzustellen, nicht vollumfänglich eingehalten haben, was für eine hohe
Dunkelziffer an in der Statistik nicht berücksichtigter Fälle
verantwortlich sein dürfte.
Die Analyse des Fallmaterials belegt,
dass die genannten Mängel bei jenen Kantonen weniger auftreten, die
spezielle Vollzugsstrukturen und kompetente Fachstellen im
Tierschutzvollzug geschaffen haben.
Die entsprechenden
Möglichkeiten sind dabei vielfältig. Bewährt haben sich beispielsweise
spezielle Fachstellen bei der Polizei, wie sie etwa in den Kantonen
Bern, Zürich, Aargau und Solothurn existieren, sowie spezialisierte
Staatsanwälte, wie sie der Kanton St. Gallen kennt.
Von
besonderer Bedeutung ist auch die Wahrung tierlicher Interessen im
Strafverfahren durch Behörden oder private Organisationen. So
beispielsweise kommen den Veterinärbehörden in den Kantonen Bern, Zürich
und St. Gallen Parteirechte zu, wodurch sie auf
Tierschutzstrafverfahren aktiv Einfluss nehmen können.
Die
wichtigsten Massnahmen für eine wirksame Strafpraxis im Tierschutzrecht
listet die TIR in einem Forderungskatalog am Ende ihrer Studie
ausführlich auf.
Die vollständige Analyse der Tierschutzstrafpraxis 2019 finden Sie unter www.tierimrecht.org.